Rezension zum "Preußen & Münster: Ein Sportclub und seine Stadt"

Ein Sportclub und seine Stadt. Tatsächlich? Das Buch hätte wohl besser „Preußen Münster – Ein Sportclub und eine Stadt“ geheißen. Der SCP und die Stadtgesellschaft Münster bilden eben diese angedeutete Einheit nicht bzw. lange schon nicht mehr. Stattdessen herrscht zwischen Rathaus und Lamberti seit fast dreißig Jahren ein nüchternes Verhältnis zum Club, auf Seiten der Kommunalpolitik wie Kaufmannschaft. Diese schwierige Beziehung arbeiten beide Autoren – viele Jahre intime SCP-Kenner – umfassend heraus. Preußen kommt den Münsteranern seit langer Zeit im Agieren amateurhaft, jedoch großspurig im Anspruch vor; mit der Attitüde des ewig Missverstandenen. 

Vergessen wird auf beiden Seiten oft, dass der Club unter zehntausenden Fußballvereinen Deutschlands seit Jahren wieder unter den Top 60 spielt und im Jugendbereich erstklassige Arbeit leistet. Aber all das scheint weder Verein noch Stadt zu genügen. 

Es gelingt dem Club zudem nicht, von kurzfristen Highlights abgesehen (wie Spielen im DFB-Pokal oder gut besuchten Lokalduellen gegen Bielefeld und Osnabrück) nachhaltig für Erfolg, Modernität und Innovation zu stehen. Zurecht daher der Vergleich beider Autoren mit dem SC Freiburg, bei dem klar wird, welch kleines Licht der SCP ist – trotz ähnlicher Startbedingungen Anfang der 90er Jahre in der 2. Bundesliga. Wie die Adlerträger auch hatten die Breisgauer seinerzeit ein marodes Stadion, ließen sich davon aber nicht aufhalten, traten mit Dauercoach Volker Finke in Vorleistung – und die Stadt zog infrastrukturell nach. Es ist schlicht zu einfach, wenn die Preußen mangelnde Umfeldbedingungen ständig als Hauptgrund für nicht erreichte sportliche Ziele – also die Etablierung zumindest in Liga 2 – anführen. 

Die Trainergalerie der Adlerträger seit dem Zweitligaaufstieg 1989 würde jedes Vereinsheim sprengen. Zudem ist, im Gegensatz zum SCF, kein konsequent verfolgtes spieltaktisches Konzept mannschaftsübergreifend erkennbar. Der Verein ordnet sich stets dem neuen Trainer und Kurzfristerfolg unter; nicht etwa umgekehrt. Trainerverschleißmaschinen wie der HSV, 1. FC Köln oder 1. FC Kaiserlautern zeigen eindrucksvoll, dass dies der falsche Weg ist. 

Solche Verhaltensweisen registriert die Stadtgesellschaft Münsters genau; der SCP ist wechselhaft und anfällig für momentane Stimmungen – in einer Kommune, die zwar durchaus modern und spontan sein kann, dies aber immer mit Beständigkeit und Seriosität verbunden sehen möchte. Ein solches Rückgrat, ein konzeptionelles Festhalten fehlt dem Club. Die Folge ist etablierte, dumpfe, alles lähmende Hoffnungslosigkeit. Ein trauriges Bild, das die Buchlektüre desillusionierend werden lässt. 

Hier leisten die Autoren großartige Arbeit, indem sie aktuelle Ereignisse in die Clubhistorie einordnen. Gut hätten allerdings frische Interviews mit Verantwortlichen von Kommune, lokaler Wirtschaft und Verein getan. Auch verliert sich das Buch ab und an im Kleinklein, etwa bei der wiederholten und unnötigen Kritik am unvergessenen Stadionkämpfer Werner Klöwer. 

Als Fazit zeigt sich, dass der SCP eben nicht der „gefühlte Erstligist“ ist, denn längerfristig war er das im bezahlten Fußball auch nie. Ein Verein, der sich weigert seine Rolle anzunehmen muss auf alle Nichthardcorefans unglaubwürdig wirken. Tradition ist kein Wert an sich – beim SCP ist er längst zum Ballast geworden, der den klaren Blick für das Mögliche verstellt. Wer glaubt, ein Stadion mit 40.000 Zuschauern dauerhaft bespielen zu können lebt in Utopia; das Münster der 50er Jahre ist sozioökonomisch ein für alle Mal passé. Die Rahmenbedingung singulärer Aufmerksamkeit für den Club kommt so nie wieder. Münster ist eine Stadt mit Fußball, aber keine ausgeprägte Fußballstadt (mehr). Der SCP sollte endlich im Hier und Jetzt ankommen. Traurig, dass es für diese Erkenntnis ein Buch braucht, aber leider auch wahr. 

Natürlich spielt auch die Stadtpolitik eine gewisse Rolle. Oft wurden dem Club Versprechungen gemacht, Perspektiven in Aussicht gestellt und sein Bekanntheitsgrad populistisch ausgenutzt – gerade so, wie es der jeweilige CDU-SPD-FDP-GRÜNEN-Wahlkampf erforderte. Oft genug hat sich der SCP dabei am Nasenring durch die Rathausmanege führen lassen. Hierbei entstanden Enttäuschungen und tiefe Verletzungen. Jedoch ließ er selbst auch eigenen Versprechungen oftmals kaum Taten folgen – dass wiederum führte zu Frust und peinlicher Berührtheit bei Stadt, Kaufmannschaft und potentiellen Zuschauern: „Die Preußen können es einfach nicht“. Wer will dem, gerade in der Saison 2019/2020, ernsthaft widersprechen. 

So entstand über viele Jahre ein sich höher als der Paulus-Dom auftürmender Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit. Selbst der tolle Erfolg des Aufstiegs in die 3. deutsche Profiliga ist mittlerweile verpufft. Wieder herrscht Enttäuschung aller Orten vor. Der Verein ist erstarrt. Auch jüngste kommunale „Zusagen“ zur Modernisierung der Antik-Arena Preußen-Stadion oder die erfolgte Ausgliederung der Profimannschaft brachten keinen Befreiungsschlag. Im Gegenteil: Der SCP steckt in der tiefsten sportlichen Krise seit fast 15 Jahren. Ein Abstieg in relative sportliche Bedeutungslosigkeit nach Lizenzverweigerung für Liga 4 oder gar eine Insolvenz scheinen mittelfristig nicht ausgeschlossen. Wie in Herne, Erkenschwick, Neunkirchen oder Wattenscheid, so könnte die münsteraner Zukunft auf dem grünen Rasen bald aussehen. Der Preußenadler präsentiert sich derzeit dabei genauso wie es auf dem Buchcover – völlig kopflos. Beständig ist in Münster nur der Prinzipalmarkt, der dort strahlend über ihm thront. Welch ungewollte Symbolik.

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